Spieltrieb

Dies Academicus, 05.12.2018. HS XII

Wer hätte nie im Leben gespielt? Die Fähigkeit des Menschen, sich spielend mit der Welt auseinanderzusetzen, ist grundlegend für alle Kulturen. Keine Evolution ohne unser Vermögen zu spielen, kein wissenschaftlicher Fortschritt, keine Phantasie, die nicht im ‚als ob‘ die spielerische Probe auf die Welt machte. Unter dem Thema Spieltrieb befragen junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen historische und aktuelle Formen und Funktionen von Spielen. In den Vorträgen geht es um die Möglichkeiten des Mitspielens, das spielende Lernen, die spielerische Wette auf die Zukunft, die moralischen Diskurse über die Gefahren des Spiels, die Revidierbarkeit in Entscheidungsprozessen. Die Keynote rundet das Spektrum mit der Aufforderung ‚Let’s play‘ ab!

Betreuer und Betreuerinnen der vortragenden Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen:
Prof. Dr. Detlef Müller-Mahn (Entwicklungsgeographie) / Prof. Dr. Annette Scheersoi (Fachdidaktik Biologie) / Prof. Dr. Jens Schröter (Medienkulturwissenschaft)

Hier finden Sie den Flyer und das Plakat der Veranstaltung.

Programm

Kinder verbringen heute einen Großteil ihrer Zeit in Innenräumen und sind in ihren Aktivitäten häufig fremdbestimmt. Gerade weniger strukturierte, naturnahe Räume können sich jedoch sehr positiv auf das Spiel und die gesamte Entwicklung von Kindern auswirken.

Um Kindern das selbstbestimmtere Lernen in Naturräumen auch im Grundschul- und Kindergartenalltag stärker zu ermöglichen und das Interesse an der Natur zu fördern, werden im Rahmen meiner Forschungsarbeit Materialien und didaktische Handreichungen entwickelt. Diese sollen nicht nur praxistauglich sein, sondern die Kinder auch beim Aufbau einer positiven Beziehung zu ihrer Umwelt und somit auch zur Natur unterstützen.

Fortschritt, Entwicklung und modernes Leben: Diese Ziele spielen in alltäglichen Vorstellungen und Wünschen vieler Menschen in urbanen und ländlichen Räumen Kenias und Tansanias eine wichtige Rolle. Doch wie äußern sich Zukunftsvorstellungen junger Menschen in Ostafrika in alltäglichen räumlichen Praktiken? Wie modellieren, imaginieren und probieren sie die Zukunft spielerisch (aus)? Und mit welchen anderen Zukunftsvorstellungen und -plänen konkurrieren diese Praktiken? Mein Vortrag geht davon aus, dass die Zukunft durch eine Vielzahl ökonomischer, politischer wie auch kultureller Praktiken geformt wird. Im Fokus stehen künstlerische Imaginationen (z.B. Malerei, Fotografie und Film) und virtuelle Spiele (im Projekt ‚Gamify your Future‘), die sich mit der Zukunft in Afrika auseinandersetzen. Im Vortrag soll gezeigt werden, wie Spiele, Imaginationen und Narrative zu politischen Aushandlungsprozessen beitragen.

Spiele lassen sich bereits in den antiken Kulturen nachweisen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene entwickelten aus ihrem Spieltrieb heraus Beschäftigungen, um freie Zeit zu füllen und Unterhaltung zu finden. Dabei entstanden zahlreiche Brett-, Wurf-, Rate- oder Laufspiele. Besonderen Reiz boten Spiele, da sie ohne großes Risiko den in der Antike verbreiteten Wettkampfgeist und die Lust auf Kräftemessen und Siegen befriedigten. Weitere Vorteile waren, dass Spiele von Angehörigen aller Schichten, ohne große Vorbereitung und mit wenigen Mitteln an fast allen Orten durchzuführen waren. Kenntnisse über das Spielen in der Antike verdanken wir erhaltenen Spielzeugen, Bildern und Schriftquellen. Es zeigt sich ein differenziertes Bild. Spiele waren zwar in allen Schichten und Altersstufen bekannt, doch gab es auch soziale und altersbedingte Unterschiede. Manche Spiele brachten neben der Freude auch Probleme wie Spielsucht oder Falschspiel mit sich und gerieten so in Verruf.

Es stellt beileibe keine Seltenheit dar, dass ein und dieselbe Entscheidung zu verschiedenen Zeitpunkten (z.B. am Tag der Entscheidung vs. eine Woche vorher) verschiedentlich bewertet wird und somit auch zu unterschiedlichem Verhalten führt. Solch zeitinkonsistentes Verhalten beeinflusst indirekt auch frühere Entscheidungen. Es ergibt sich ein Interessenkonflikt zwischen dem ‚Heute‘ und dem ‚Morgen‘ bzw. ein Spiel zwischen diesen ‚Akteuren‘. Die Handlungen des ‚Heute‘ beeinflussen dabei die (möglichen) Handlungen des ‚Morgen‘ und umgekehrt. Mein Vortrag analysiert die konkreten Ursachen und Auswirkungen zeitinkonsistenten Verhaltens in diversen Bereichen. Diskutiert werden die (Un-)Möglichkeit von Donald Trumps ‚America First‘-Politik, ein Grund für das Scheitern der sozialistischen Experimente im 20. Jahrhundert und spielerische Aspekte von Drogenkonsum.

Von Anfang an sind Spielkarten begleitet von moralischen Diskursen: Spielverbote und Moralpredigten mit Blick auf Glücksspiel sind die ersten Zeugnisse, die von Kartenspielen an vielen Orten erhalten sind. Die Diskurse um Gefahren des Glücksspiels und den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen bleiben bis heute relevant. Sie bringen Kontrollversuche wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung hervor, eine Reflexion über den gesellschaftlichen Wert von Spiel, die sich von Kant bis Huizinga aufspannt, sowie schließlich Spiele für Kinder als Alternative zum Glücksspiel der Erwachsenen. Von dieser Geistesgeschichte geformte Ideen über den Charakter des Spiels und seine Rolle in der Kultur sowie pädagogische Ansprüche an das Spiel nehmen auch in aktuellen Debatten um Phänomene wie ‚Loot Boxes‘, ‚Serious Games‘ und ‚Gamification‘ Einfluss. Mein Vortrag soll einen Überblick über dieses Thema und den Stand des eigenen Dissertationsprojekts geben.

Wohl jeder Mensch hat schon gespielt – Spielen ist eine Grundform menschlicher Aktivität. Und es spielen nicht nur Kinder und Jugendliche: Auch viele Erwachsene gehen Bewegungs-, Sport- oder Gesellschaftsspielen nach –, oft ohne sich hierüber Gedanken zu machen.

Allerdings ist es schwierig, „spielen“ oder „Spiel“ exakt zu bestimmen. Wovon sprechen wir, wenn wir sagen, dass jemand „spielt“? Aus pädagogisch-psychologischer Perspektive schließen sich weitere Fragen an: Welche Funktion kommt Spielen zu? Lassen sich Spielaktivitäten nutzen, um Lernprozesse zu optimieren? Welche Bedingungen müssen hierfür erfüllt sein? Oder ist Spielen nur eine Ablenkung und verwässert den Lernerfolg? Steht Spielen erfolgreichem Lernen im Wege?

Um uns Antworten auf diese Fragen zu nähern, werden Befunde der Psychologie zum Thema Spielen vorgestellt. Insbesondere sollen Spiele demonstriert werden, die Lernmöglichkeiten beinhalten. Und diese wollen ausprobiert werden. So gilt die Devise: Let’s play! 

Priv.-Doz. Dr. Hedwig Pompe (Neuere deutsche Literatur; Arbeitsstelle Internationales Kolleg)

Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister (Katholische Theologie)

Prof. Dr. Annette Scheersoi (Biologie)

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